Die frühere Rostockerin kämpft aktuell mit der Neckarsulmer Sport-Union um den Klassenerhalt in der Handball-Bundesliga und studiert Psychologie
Von Tommy Bastian
Neckarsulm/Rostock. Große Anspannung vor Spielen kennt die frühere Rostockerin Nele Reimer sehr gut. Jüngst war sie allerdings so aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Kein Wunder: Die 22-jährige Rückraumspielerin von Handball-Bundesligist Neckarsulmer Sport-Union wurde erstmals in die deutsche A-Nationalmannschaft berufen und feierte beim 29:28 gegen die Niederlande in der EWE Arena in Oldenburg ein super Debüt.
„Es war eine tolle Erfahrung, erstmals mit dem Bundesadler bei einem Frauenspiel aufzulaufen“, betont Nele Reimer, die zuvor schon viele Partien für Jugend-Nationalteams bestritten hatte. „Ich habe mir gesagt, dass es auch nur ein Spiel ist wie jedes andere und wollte es genießen. Als es losging und ich von der Ersatzbank aus mitgefiebert habe, hat sich die Anspannung gelöst“, beschreibt die gebürtige Rostockerin.
Sie wurde eine Viertelstunde vor Schluss eingewechselt und steuerte noch einen Treffer bei. Nach dem Spiel, das live im Fernsehen übertragen wurde, bekam sie viele Nachrichten aus der Heimat – per SMS, WhatsApp oder Facebook. „Die Mädels vom Rostocker HC haben mir geschrieben und gratuliert. Sie lassen mir auch oft Grüße über meinen Bruder Erik ausrichten, der in der B-Jugend des HC Empor spielt“, erzählt Nele Reimer.
Sie galt einst als das Riesentalent beim RHC. Das erkannten schnell auch die Verantwortlichen beim Deutschen Handballbund (DHB) sowie bei anderen Vereinen und lockten die erst 16-Jährige 2013 aus Rostock weg. Reimer wechselte nach Sachsen, spielte zunächst für die zweite (3. Liga) und später für die erste Mannschaft des HC Leipzig in der Bundesliga.
Nach ihrem letzten Heimspiel in der Rostocker Ospa-Arena – 21:33 gegen den damaligen Staffelsieger der 3. Liga Ost HC Rödertal – flossen bei der Verabschiedung viele Tränen. Vorstandsmitglied Bärbel Kordt schaute damals mit einem weinenden und einem lachenden Auge auf den Abgang von Reimer. „Nele war immer das Riesentalent. Sie hat daraus viel gemacht. Wir hoffen, dass sie sich in Leipzig wohlfühlen und sich gut weiterentwickeln wird“, sagte sie. Kordt dürfte nun zufrieden und stolz sein, denn Nele Reimer hat ihren erfolgreichen Weg fortgesetzt.
Die 1,80 Meter große Rechtshänderin dankt ihren Förderern aus Rostock sehr. „Gerhard Schumacher, Ute Lemmel, Bärbel Kordt und Lothar Goldschmidt haben mir das Handballspielen beigebracht, mir viele Tipps gegeben und waren immer sehr lieb. Das werde ich nie vergessen“, betont Reimer. Sie lebt ihren Traum, spielt in der deutschen Eliteklasse und studiert Psychologie an der Universität Heidelberg.
Nach der Insolvenz des HC Leipzig wechselte Reimer 2017 zur Neckarsulmer Sport-Union. Dort kann sie Sport und Studium gut miteinander verbinden. Heidelberg ist nur eine Fahrstunde entfernt. „Ich wäre gern länger in Leipzig geblieben, hatte mich darauf eingerichtet, dort zu studieren und Handball zu spielen. Leider kam es anders“, sagt Nele Reimer. Sie weilt beinahe jedes zweite Wochenende noch in der Messestadt, denn dort hat sie viele Freunde. Auch Lebensgefährte Johannes lebt in Leipzig, spielt dort Hockey. „Wir bekommen das ganz gut hin, telefonieren viel und besuchen uns an den Wochenenden.“
In Neckarsulm hat Nele Reimer eine eigene Wohnung und sich mittlerweile gut eingelebt. Im Falle des Klassenerhalts bleibt sie auch in der Saison 2019/20 in der Kleinstadt im Norden des Landes Baden-Württemberg, die sich direkt an die Großstadt Heilbronn anschließt. Am Sonnabend steuerte Reimer als zweitbeste Schützin ihres Teams zwar sieben Tore bei, dennoch unterlagen die Neckarsulmerinnen vor 802 Zuschauern gegen den amtierenden deutschen Meister Thüringer HC mit 19:34. Ihr Vorsprung vor dem ersten Abstiegsrang beträgt nur noch einen Zähler. Reimer ist allerdings zuversichtlich, dass in den verbleibenden sieben Partien der Klassenerhalt gelingt.
Ihr ganz großer Traum bleibt es, mit Deutschland einmal bei Olympia dabei zu sein. Doch zunächst hofft sie auf weitere Einsätze, am liebsten schon bei den WM-Play-offs Anfang Juni. Dann wird Bundestrainer Henk Groener nur noch 16 statt wie zuletzt 21 Spielerinnen nominieren. „Natürlich wird es dadurch schwieriger, wieder dabei zu sein. Aber es ist nicht ausgeschlossen“, sagt Nele Reimer: „Es soll für mich weitergehen. Dafür muss ich hart arbeiten und mich neu beweisen.“ Ihr Fokus liege vorerst allerdings auf dem Verein. Für die Neckarsulmer Sport-Union (12. Platz, 9:29 Punkte) geht es am kommenden Sonnabend bei der HSG Blomberg-Lippe (8., 17:21) weiter.