Eva-Maria Dethloff und Aljona Kemin wollen sich als Schiedsrichterinnen beweisen
Sie verstehen sich perfekt, als wären sie schon lange befreundet. Dabei kennen sich beide erst ein Jahr: Seit der vorigen Saison 2022/23 sind Eva-Maria Dethloff vom Schweriner SC und Aljona Kemin von Grün-Weiß Schwerin ein Schiedsrichterpaar im Handballverband Mecklenburg-Vorpommern (HVMV). Angefangen bei Jugend und Frauen leiten sie inzwischen auch Männerspiele in der höchsten Liga des Landes. Und sie wollen gern noch weiter, am liebsten gemeinsam. Punktspiele der Männer in der Oberliga Ostsee-Spree, die aus Berlin, Brandenburg und MV besteht, nennen die beiden Frauen als nächstes Ziel. „Es gibt nichts, was wir nicht pfeifen, aber bei den Männern geht es eben doch schneller und kraftvoller zu. Wir lieben die Herausforderungen und wollen uns weiterentwickeln“, sagt Eva-Maria.
Sie selbst habe nie Handball gespielt, dafür umso begeisterter ihr Mann, mit dessen Mannschaft sie oft zu Auswärtsspielen mitgefahren sei. In der heimischen Halle habe sie im Kampfgericht gesessen und dann zunächst im Bezirk gepfiffen. Die ersten Jahre seien hart gewesen, denn Theorie und Praxis könnten recht unterschiedlich sein. „Ich habe mich anfangs bis Punkt und Komma ans Regelwerk gehalten“, erinnert sich die Schwerinerin. „Dann hat mal ein Bundesliga-Schiedsrichter gesagt, du musst das Spiel lesen und dich entsprechend darauf einstellen. Jede Situation ist anders, es gehört auch viel Bauchgefühl dazu.“
Im HVMV angekommen, zog ihr Schiedsrichterpartner nach einiger Zeit von Banzkow nach Berlin. „Das ging dann nicht mehr und ich habe mich nach einem neuen Partner umgesehen. Denn ich wollte zu zweit pfeifen, um auch hochklassige Spiele zu bekommen.“ Eher durch Zufall habe sie von Aljona gehört, die etwa ein halbes Jahr zuvor aus der Ukraine nach Schwerin gekommen war. Sie hatte dort schon bis zur Superliga, der höchsten Spielklasse des Landes, Frauenspiele gepfiffen. „Das ist nicht mit der Bundesliga in Deutschland vergleichbar“, stellt die junge Ukrainerin klar. Es gebe dort viel weniger Mannschaften und Ligen. Doch um bis ganz oben zu kommen, greift Eva-Maria ein, stehe eine Leistung dahinter.
Aljona hat zu Hause in einer Stadt bei Kiew, etwas größer als Rostock, an der Sportschule Handball gespielt. Als sie und ihre Freundin Probleme mit dem Knie bekommen hätten, habe der Trainer 2018 vorgeschlagen, als Schiedsrichterinnen weiterzumachen. „Es hat von Anfang an Spaß gemacht“, sagt sie. Ihr Freund indes sei bereits zu Bundesliga-Einsätzen für den deutschen Mannschaftsmeister BC Traktor zeitweilig nach Schwerin gereist. Als er dann im Februar 2022 mit der Nationalstaffel der Ukraine zu Wettkämpfen in Bulgarien weilte, wurde wenige Tage vor der Rückkehr sein Heimatland von Russland überfallen. Daraufhin machte sich der junge Boxer auf den Weg nach Schwerin, trat in der Bundesliga an und wurde zweimal deutscher Elitemeister im Weltergewicht (bis 69 kg).
Hier traf das junge ukrainische Paar wieder zusammen. Aljona belegt inzwischen den B2-Deutschkurs für Fortgeschrittene. Sie hat aus der Heimat einen Abschluss als internationale Juristin und Übersetzerin, der hier allerdings nicht anerkannt wird. Mit gefestigten Deutschkenntnissen möchte sie gern einen anderen Beruf finden, etwa als Englischlehrerin oder Übersetzerin.
Eva-Maria und Aljona wissen, dass als Handball-Schiedsrichter kein Geld zu verdienen ist. Dennoch sind sie leidenschaftlich dabei. Zumal ihr das Pfeifen viel geholfen habe in sozialer Kompetenz, sagt Eva-Maria. “Ich habe einen weiten Sprung nach vorn gemacht.“ Sie hat die Ausbildung zur Polizistin von Anfang an durchlaufen und ist heute als Kriminalhauptkommissarin amtierende Leiterin eines Fachkommissariats.
Beim Handball hätten sich beide zunächst in Englisch, mit Google-Übersetzer oder Zeichensprache verständigt. Das sei nicht mehr notwendig, wobei sie sich auch ohne Worte verstehen. Es habe von Anfang an zwischen ihnen gepasst.
Rüdiger Rump
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Die Schwerinerin Eva-Maria Dethloff (l.) und Aljona Kemin aus der Ukraine pfeifen seit einem Jahr im Handballverband MV. Foto: Rüdiger Rump