U19-Nationalmannschaft und vier A-Nationalspieler bleiben bis auf Weiteres zu einem Trainingslager in der Hansestadt und in Graal-Müritz
Blau-gelbe Hilfe: Der HC Empor Rostock unterstützt die Junioren-Nationalmannschaft der Ukraine, welche in diesen Tagen in Rostock aufgenommen wird. 15 Spieler plus Trainer und Betreuer des U19/20-Nationalkaders wurden offiziell zu einem Trainingslager eingeladen, um dem Kriegsgeschehen in ihrer Heimat zu entkommen und gemeinsam unter professionellen Bedingungen trainieren und Sport treiben zu können. Hinzu kommen vier ukrainische A-Nationalspieler samt Familien, die sich bisher in Großwallstadt aufhielten. Die Spieler stammen von den Spitzenvereinen HK Motor Saporischschja und Motor Politekhnika.
„Über unseren ehemaligen ukrainischen Spieler Yan Vizhborskyy haben wir die Bitte aus der Ukraine erhalten, den Nachwuchshandballern bei der Ausreise nach Deutschland behilflich zu sein. Wir haben daraufhin mit Hilfe des Oberbürgermeisters der Hansestadt sowie des Landrats des Landkreises schnell die nötigen Rahmenbedingungen zu Unterkunft, Verpflegung, Transfers, Registrierung und Verständigung klären können und eine offizielle Einladung an den ukrainischen Handballverband formuliert. Wir wollen mit Herz und Hand helfen. Dass die Nationalfarben der Ukraine auch die Farben des HC Empor sind, ist dabei nur eine Randnotiz“, erklärte Tobias Woitendorf, Vorstandsvorsitzender des HC Empor Rostock. Er dankte in diesem Zusammenhang neben Yan Vizhborskyy insbesondere dem Vize-Vorsitzenden des HC Empor, Silvio Rose, für dessen Engagement.
Die ukrainischen Nachwuchshandballer werden nach einer mehrtägigen Tour durch die Ukraine über Ungarn und das österreichische Wien an die Ostsee reisen und am 10. oder 11. April in Rostock erwartet. Sie werden zunächst in der zur Aufnahmestätte umfunktionierten Mutter-Kind-Klinik in Schwarzheide bei Graal-Müritz gemeinsam untergebracht, verpflegt und in allen formalen Fragen betreut. In den kommenden Tagen sollen für sie Trainingsmöglichkeiten samt Hallenzeiten in der Sporthalle Marienehe geschaffen werden; die Gespräche und Planungen mit dem Sportamt der Hansestadt laufen dazu. Auch die medizinische und die physiotherapeutische Betreuung soll organisiert werden.
„Die jungen Sportler haben in den vergangenen Wochen bittere und traurige Erfahrungen gemacht. Wir wollen helfen, sie schnell zu integrieren, ihnen Ablenkung verschaffen und die Chance geben, weiter zu trainieren, sich fit zu halten und an anderes als an den Krieg in ihrer Heimat zu denken“, so Woitendorf. Dazu gehöre natürlich auch der sportliche und persönliche Kontakt zu den Handballern am Landesleistungszentrum des HC Empor Rostock sowie zu weiteren Vereinen aus Mecklenburg-Vorpommern. „Wir werden in den kommenden Tagen besprechen, welche Erwartungen und welche Bedürfnisse auf Seiten der ukrainischen Spieler bestehen. Zudem werden wir uns ein Bild darüber verschaffen, was möglicherweise an Material und Kleidung fehlt und dies zu beschaffen helfen“, erläuterte Woitendorf. Überdies sei zu klären, welche Hilfestellungen in Fragen von Schul- und Ausbildung sowie medizinischer Betreuung offen sind. Nach Möglichkeit sollen die Handballer absehbar in Rostock untergebracht werden, um die Wege zu Trainingshallen, Physiotherapeuten und Ärzten zu vereinfachen.
Schließlich wird auch über Freundschaftsspiele und Turniere mit dem HC Empor und nach Möglichkeit weiteren Mannschaften aus Mecklenburg-Vorpommern nachgedacht.
Interview mit Silvio Rose, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender des HC Empor
Rostock:
Wie kam es zur Hilfsaktion?
Silvio Rose: Im ehemaligen Elbotel in Rostock sind mittlerweile viele ukrainische Kinder untergebracht. Der HC Empor bietet dort jeden Donnerstagnachmittag ein Handballtraining mit viel Bewegung und Spaß an. Hier hat mich Yan Vizhborskyy, der mit seinen ukrainischen Wurzeln als Übersetzer dabei war, am 24. März angesprochen und mir vom Hilferuf des Trainers der U19/20-Nationalmannschaft der Ukraine erzählt. Die Jungs waren zu diesem Zeitpunkt in Kiew im Luftschutzkeller. Einzige Option für eine Ausreise von männlichen Personen aus der Ukraine ist im Fall des Sports eine Einladung zu einem Turnier oder Trainingslager. So kam die Bitte zu uns, dem HC Empor.
Was hat der Verein konkret unternommen?
Rose: Wir haben uns im Vorstand bezüglich Unterkunft und Transport an die Arbeit gemacht und verschiedene Optionen durchgespielt. Durch die vielen Kontakte sind wir zunächst auf das ehemalige Schullandheim in Niex gestoßen und haben den Kontakt zum Landkreis Rostock hergestellt. Gemeinsam haben wir nach Möglichkeiten geschaut und die Unterbringung der geplanten 20 Personen in der AKG Mutter-Kind-Klinik in Graal-Müritz ermöglichen können – ein großes Dankeschön in diesem Zusammenhang an Frau Ina-Maria Fahning vom Landkreis.
Wer kommt nun nach Rostock?
Rose: Dem Beispiel des TV Großwallstadt folgend, haben wir eine Einladung der U19/20 zu einem Trainingslager in Rostock an die Handball-Föderation der Ukraine versandt. Begleitend wurde organisiert, dass die Spieler der A-Nationalmannschaft, die in Großwallstadt untergekommen waren und noch keinen Verein für eine Spielberechtigung in Deutschland gefunden haben, sich hier in Rostock mit der U19/20 zusammentun können. Zum Teil sind sie mit ihren Frauen und Kindern hier angekommen.
Die Nachwuchsspieler wurden daraufhin mit ihrem Trainer auf die Reise an die ukrainischungarische Grenze geschickt. 1.500 km durch die Ukraine waren nach fünf Tagen überwunden. Aktuell wartet die U19/20-Mannschaft an der Grenze auf die Freigabe durch das ukrainische Sportministerium; diese soll voraussichtlich am 8. April erteilt werden. Gemeinsam mit dem TV Großwallstadt haben wir den Transport von der ukrainischungarischen Grenze bis nach Wien organisiert. Dort sollen die Spieler per Zug Richtung Rostock fahren und könnten am 10. oder 11. April hier ankommen.
Wie soll es dann weitergehen?
Rose: Ansatz ist das gemeinsame Training, da diese Möglichkeiten aktuell in der Ukraine natürlich nicht bestehen. Die Mannschaften wollen sich auf die WM vorbereiten und benötigen professionelle Bedingungen – die sollen sie bei uns finden. Aktuell sprechen wir mit der Hansestadt über Hallenkapazitäten nach den Osterferien – bis dahin wäre Marienehe nutzbar. Auch wollen die Männer unserer Mannschaft vom HC Empor sowie unsere A- und B-Junioren gerne helfen und freuen sich gegebenenfalls auf gemeinsame Einheiten. Sicher können wir auch über Freundschaftsspiele oder gar ein Turnier nachdenken. Wichtig ist, dass die Spieler, die Betreuer und die Familienmitglieder sich gut aufgenommen fühlen und etwas Ablenkung von ihrer schwierigen Situation finden. Dafür möchten wir gern sorgen.